Sie umhüllen Muskeln und Organe und stehen zunehmend im Rampenlicht: Faszien.
Altmodisch auch Bindegewebe genannt. Faszien sind das, was jeden Muskel, jedes Organ, aber auch jede Bandstruktur umgibt. Faszien vernetzen unseren ganzen Körper. Unter Physiotherapeuten, Masseuren, Osteopathen, Rolfern und anderen Körperarbeitstechniken kein Neuland. Doch in den letzten Jahren rückte dieses menschliche kollagene Bindegewebsnetzwerk, u.a. dank Dr. Robert Schleip, immer mehr in das Interesse der aktuellen medizinischen Forschung. Dabei fand man erstaunliches heraus.
Neueste wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass nicht die Haut unser größtes Sinnesorgan ist, sondern unsere Faszien. Sie vernetzen unseren ganzen Körper – sie sind das Organ, welches alles mit allem verbindet, das den Körper zusammenhält und strukturiert. Man kann sich das ganze vorstellen wie bei einer Orange, die man halbiert. Jedes Fruchtstück ist mit dieser feinen weißen dünnen Haut umgeben. Entfernt man diese Hülle, hat man keine festen Orangenfilets, die man sich genüsslich in den Mund schieben kann, sondern Mus. So ähnlich sieht es im menschlichen Körper aus. Jeder Muskel, jedes Organ ist mit so einer Haut überzogen. Und diese „Haut“ nimmt Informationen auf und leitet sie weiter.
Ein gut trainiertes und intaktes Bindegewebsnetzwerk beeinflusst die Kraftentwicklung und Kraftübertragung, sowie die Feinabstimmung einer Bewegung nachhaltig. Denn nicht in der Nähe eines Gelenks, befinden sich die Rezeptoren, welche für die Meldung über die Lage des Körpers im Raum verantwortlich sind, sondern im Fasziengewebe. Das wiederum hat Einfluss auf die Genauigkeit und Geschmeidigkeit einer Bewegung. Für (Leistungs)-sportler, aber auch für jeden Freitzeitsportler und Spaziergänger interessant.
Die allgemein beklagte Alterssteifigkeit und der damit einhergehende Verlust an elastischem Schwung sind im Wesentlichen das Resultat von verfilzten und/oder verklebten Kollagen-Fasernetzen. Ein intaktes Bindegewebe ist fest und zugleich elastisch (ähnlich einem Spinnennetz) und ermöglicht federnde Bewegungen wie bei Gazellen. Das garantiert Belastbarkeit von Sehnen und Bändern, vermeidet schmerzhafte Reibereien in Hüftgelenken und Bandscheiben, schützt die Muskulatur vor Verletzung und hält uns in Form – jugendlich und straff.
Kurz gesagt: Wir sind so alt wie unser Bindegewebe. Wer jung bleiben oder wieder jung werden will, tut also gut daran dieses Lebensnetz, seine Faszien, zu kräftigen.
Weitere Vorteile eines Faszientrainings sind:
- Leistungssteigerung
- Verletzungsprophylaxe
- Spaß und Abwechslung
Welche Impulse braucht das Faziennetz?
Die Faszienforschung hat gezeigt, dass unser Gewebe beeinflussbar ist und unterschiedliche Zugangswege zu ihm bestehen. Faszien haben Einfluss auf unsere Muskulatur, unsere Haltung, unsere Bewegungen und unser Schmerzempfinden. „Aber sie werden auch beeinflusst durch unsere einseitigen Alltagsbelastungen, welche unsere natürliche Bewegungsvielfalt mehr und mehr einschränken – stundenlanges Verharren in ungünstigen Sitz-Beuge-Haltungen sowie der natürliche Alterungsprozess tragen das Ihre dazu bei“, so Lucia Nirmala Schmidt. „Faszien werden in ihrem Tonus zudem durch unsere innere Haltung, unser Denken und Fühlen geprägt. Eine emotionale Spannung lässt ganze Körperregionen förmlich erstarren.“, so Schmidt weiter. Deshalb ist es wichtig, die Verschiebbarkeit der verschiedenen Gewebe zueinander zu erhöhen, die Gleitfähigkeit zu verbessern, die kollagenen Fasern zum Umbau anzuregen und so die Geschmeidigkeit und Elastizität der Faszien zu erhalten.
Aber wie mache ich das nun? Aus den Erkenntnissen der Faszienforschung gehen 4 verschiedene Möglichkeiten hervor, wie man seine Faszien trainieren kann:
- Fascial Stretch (z.B. Yoga)
- Rebound Elasticity (z.B. Seilspringen, Trampolin hüpfen, Joggen)
- Fluid Refinement (z.B. YinYoga, Pranayama)
- Fascial Release (Foam Rolling, Massage)
Ich werde in der nächsten Zeit jede Trainingsmöglichkeit einzeln vorstellen. Damit unsere Faszien optimal funktionieren und wir uns wohl in unserer Haut fühlen, sollte man alle 4 Möglichkeiten abwechselnd trainieren. Sie lassen sich auch hervorragend miteinander kombinieren. So gehe ich morgens ganz gerne joggen und abends genieße ich eine „entspannende“ Massage mit der Foam Rolle.
Quellen:
Slomka, Gunda „Faszien in Bewegung. Bedeutung der Faszien in Training und Alltag“. Aachen 2014
Schmidt, Lucia Nirmala „Faszien-Yoga“. München 2015.
Müller, Divo G./ Schleip, Robert „Faszientraining. Theorie und Praxiszum Aufbau eines geschmeidigen Bindegewebes“. E-Book von www.fasciafitness.de.
Yoga Aktuell „Faszien-Yoga – Neuer Trend oder schon immer Teil des Yoga?“. S.44-49, Ausgabe 6/2015.
Yoga Aktuell „Faszienyoga – Einführung – grundlegende Impulse für die Faszien: Wissen und Praxis“. S.50-55, Ausgabe 1/2016.
Yoga Aktuell „Faszienyoga- Verspannungen mit Hilfe von Faszienyoga lösen – Übungen zum Lösen von Schulter-Nacken-Verspannungen“. S.38-41. Ausgabe 2/2016.
PILATES Das Magazin „Faszi… was? Unbekannt und faszinierend- Faszien“. S.38-45. Ausgabe 3/2009.